Meine Damen und Herren,
der deutsche Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 03.12.2024, Az. IX R 31/2) hat in einer grundlegenden Entscheidung festgestellt, dass die Zurechnungsbesteuerung ausländischer Familienstiftungen nach § 15 AStG in ihrer bisherigen Form gegen europäisches Recht verstößt.
Ausgangslage
Nach § 15 Abs. 1 AStG werden Einkünfte ausländischer Familienstiftungen deutschen Stiftern oder Begünstigten zugerechnet, wenn sie unbeschränkt steuerpflichtig sind.
Eine Ausnahme von dieser sogenannten Zurechnungsbesteuerung besteht bislang nur für Stiftungen mit Sitz oder Geschäftsleitung in der EU oder im EWR – geregelt in § 15 Abs. 6 AStG.
Fall und Entscheidung des BFH
Geklagt hatten Begünstigte einer Schweizer Familienstiftung, denen das deutsche Finanzamt die Einkünfte der Stiftung steuerlich zurechnete, obwohl keine Ausschüttungen erfolgten.
Der BFH gab den Klägern recht und entschied, dass die Beschränkung der Ausnahme auf EU- bzw. EWR-Staaten gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV verstößt.
Diese gilt ausdrücklich auch gegenüber Drittstaaten wie der Schweiz.
Damit dürfen auch Familienstiftungen in Drittstaaten nicht pauschal schlechter behandelt werden.
Folgen für die Praxis
Die Entscheidung erweitert den Anwendungsbereich der Escape-Klausel in § 15 Abs. 6 AStG.
Begünstigte von Stiftungen mit Sitz außerhalb der EU oder des EWR – etwa in der Schweiz, Liechtenstein, USA oder anderen Drittstaaten – können sich künftig ebenfalls auf die Ausnahme von der
Zurechnungsbesteuerung berufen.
Das betrifft auch Trusts aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum.
Fazit
Der BFH hat ein starkes Signal für den freien Kapitalverkehr innerhalb und außerhalb der EU gesendet.
Die Zurechnungsbesteuerung darf nicht als Mittel dienen, um Stiftungen in Drittstaaten systematisch zu benachteiligen.
Es bleibt nun Aufgabe des Gesetzgebers, das Außensteuergesetz europarechtskonform weiterzuentwickeln.